Frauengesundheit und das humane Mikrobiom

Frauengesundheit, Kinderwunsch und das humane Mikrobiom

Zahlreiche lebenswichtige Funktionen werden im menschlichen Körper durch die Oberflächen (Schleimhäute) verschiedener Organe erbracht. Dazu gehört die Verwertung der Nahrung im Magen-Darm-Trakt ebenso wie die Fortpflanzung im Genitaltrakt. Die Mikroorganismen, die die Schleimhaute dieser Organe dicht besiedeln, sind für die Erfüllung dieser Funktionen unentbehrlich. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Mikrobiom, die Gesamtheit der Mikroorganismen des Menschen, und dessen Störungen mit Erkrankungen und der Beeinträchtigung vitaler Funktionen einhergeht. Dies gilt im Besonderen für das genitale Mikrobiom, das bei Entzündungen im Genitaltrakt und herabgesetzter Fruchtbarkeit verändert ist. Die Analyse des Mikrobioms eröffnet dabei neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten.

Mit dem Start des humanen Mikrobiom-Projekt vor über 10 Jahren wurde ein großer Stein ins Rollen gebracht. Zum ersten Mal wurde das humane Mikrobiom, nämlich die Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Menschen natürlicherweise (d. h. ohne Auslösung von Krankheitssymptomen) besiedeln, systematisch untersucht und erforscht. Die dabei gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse haben das Potential, zahlreiche, noch ungelöste Zusammenhänge und Ursachen in der Medizin zu erhellen und aufzuklären.

Es wird aber auch deutlich, dass ein Verständnis des humanen Mikrobioms auch ein neues Verständnis der Krankheitsentstehung mit sich führt. Dabei schauen wir nicht mehr nur auf einzelne vermeintlich krankheitsauslösende Keime; hingegen beginnen wir zu verstehen, wie sich biologische Systeme in einer Balance befinden und dadurch zur Gesundheit beitragen und wir sehen, wie die Dysbalance mit Krankheiten und Beschwerden einhergehen.

Das Mikrobiom besiedelt im Wesentlichen unsere Schleimhäute – also etwa den Nasen-Rachen-Raum, die Atemwege, den Verdauungstrakt und den Genitaltrakt. Man geht davon aus, dass die Zell-Anzahl, aus denen es besteht, die Anzahl der humanen Zellen eines Körpers um ein Vielfaches überschreitet. Das Mikrobiom steht dabei seinerseits in ständiger Wechselwirkung mit den Schleimhäuten des Menschen – einem immunologisch und sekretorisch sehr aktivem Gewebe.

Mikrobiom und Schleimhaut bilden dadurch ein System von enormer Komplexität – durch die enorme Anzahl unterschiedlicher Mikroorganismen und deren Wechselwirkungen mit den Schleimhautzellen – um unter sich ständigen ändernden Umwelt-Bedingungen seine Funktionen aufrechterhalten zu können.

Mikrobiom und Krankheiten

Die Frage, ob das humane Mikrobiom an der Entstehung von Krankheiten beteiligt ist, wurde zunächst durch zahlreiche Assoziationsstudien untersucht. Dabei wurde geprüft, ob zwischen der Zusammensetzung des Mikrobioms und verschiedenen Krankheiten statistisch ein Zusammenhang besteht. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf das Mikrobiom des Magen-Darm-Traktes gelegt.

Die Liste, die bei diesen Untersuchungen entstand, war sehr lange und ist sehr beeindruckend. Sie reicht von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Artherosklerose), Diabetes, neurologischen Erkrankungen (M. Parkinson) bis hin zu entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn) und verschiedenen Krebsarten.

Ein wesentliches Problem bestehen jedoch darin zu unterscheiden, ob diese Zusammenhänge ursächlich mit dem Mikrobiom verbunden sind, oder ob Veränderungen des Mikrobioms lediglich eine Folge der untersuchten Erkrankung sind.

Die Forschung hat leider erst angefangen, über statistische Zusammenhänge hinauszugehen und nach ursächlichen Mechanismen zu suchen. Dies tut sie vornehmlich in Maus-Experimenten, indem beispielsweise sterile Tiere (ohne Mikrobiom) einem veränderten Mikrobiomen oder bestimmten Keimen ausgesetzt werden.

Beim Menschen stellt jedoch ein klinisches Verfahren besonders eindrückliche die Rolle des Mikrobiom heraus: die sogenannte Mikrobiom-Transplantation (MT). Bei der pseudomembranösen Colitis, einer schweren Darmentzündung, zeigt die Transplantation eines Darm-Mikrobioms von Gesunden hervorragende Ergebnisse. Diese Erkrankung wird durch das Toxin eines Bakteriums verursacht, das in bestimmten Fällen antibiotisch nicht mehr therapiert bzw. beherrscht werden kann. Diese Krankheit kann durch eine MT in den allermeisten Fällen geheilt werden. Die Stuhltransplantation ist inzwischen zu einem festen Bestandteil der Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung geworden.

Das mit Abstand komplexeste humane Mikrobiom findet sich im Verdauungstrakt, was dessen Erforschung natürlich erschwert. Die geringste Komplexität weist hingegen das genitale Mikrobiom auf. Das ist auch ein wesentlicher Grund, wieso hier die medizinische Forschung schon so viele klinisch relevante Erkenntnisse erzielen konnte. Dies ist auch ein wesentlicher Beweggrund, dass wir uns auf dieses Thema fokussieren.

Genitales Mikrobiom

Die bakterielle Besiedlung der Vagina ist schon seit langem bekannt und fest verankert im ärztlichen Denken und Handeln. Die Gebärmutter hingegen galt lange Zeit als steril. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre zeigen jedoch, dass auch diese bakteriell besiedelt ist. Eine groß angelegte Studie an 110 Frauen zeigte ein Mikrobiom auf den Schleimhäuten des gesamten Geschlechtstraktes einschließlich der Eileiter – die Autoren bezeichneten dies als „microbiota continuum“, also das Aneinanderreihen von unterschiedlichen Mikrobiomen von der Scheide über die Gebärmutter bis zu den Eileitern (https://doi.org/10.1038/s41467-017-00901-0).

Die Mikrobiome unterscheiden sich dabei deutlich voneinander. Während in der Scheide normalerweise unterschiedliche Laktobazillen das Mikrobiom dominieren, wird es in der Gebärmutter deutlich heterogener und diverser. Dort stellen die Laktobazillen immer noch den prozentual stärksten Anteil – allerdings können zusätzliche Bakterienarten hinzukommen. In den Eileitern wird der Anteil an Laktobazillen marginal.

Eine Besonderheit von Mikrobiomen ist, dass sie sich nicht beliebig zusammensetzen, sondern dass sie sich in gut abgrenzbaren bzw. charakterisierbaren Typen organisieren. Das sehen wir sowohl im Darm-Mikrobiom, als auch im Mikrobiom des Geschlechtstraktes. In der Scheide lassen sich beispielsweise fünf verschiedene bakterielle Typen nachweisen, die auch als „community state types (CST)“ bezeichnet werden. In vier davon dominiert eine Laktobazillus-Art, in einem weiteren Typ sind die Laktobazillen nicht mehr dominant und andere Bakterien werden, teils in beachtlichen Anteilen, nachweisbar (https://doi.org/10.1073/pnas.1002611107).

Dysbiose und Krankheiten

Eine Dysbiose beschreibt das Ungleichgewicht des Mikrobioms bzw. die Abweichung vom normalen, krankheitsfreien Verteilungsmuster. In etwa 90% der gesunden Frauen im gebärfähigen Alter dominieren Laktobazillen das vaginale Mikrobiom. Kommen neben den genannten Laktobazillen größere Anteil von weiteren Bakterien-Arten – sogenannte „Anaerobier“ – dazu, spricht dies für ein Störung der normalen mikrobiellen Balance.

Die bakterielle Vaginose (BV) beispielsweise stellt eine solche dysbiotische Balancestörung dar. Klinisch findet sich dabei typischerweise ein grau-weißer Ausfluss und ein unangenehmer („fischiger“) Geruch. Neben den schon lange bekannten Gardnerellen finden sich dabei auch weitere bakterielle Arten wie Mobiluncus, Atopobium, Megasphera. Einzelne dieser Arten können die gesunde Vagina auch besiedeln, verursachen jedoch alleine keine vaginalen Infektionen.

Die BV ist keine harmlose Erkrankung, weil sie das Risiko für zahlreiche weitere gynäkologische Krankheiten erhöht. Sie geht mit einem erhöhten Risiko für Früh- und Spätaborten einher, ebenso mit Frühgeburten. Darüber hinaus erhöht die BV das Risiko für Endometritis (Entzündung der Gebärmutter), das Übergreifen der Entzündung auf weitere Organe des Beckens („pelvic inflammatory disease“) und für sexuell übertragbare Erkrankungen („STDs“ – sexually transmitted diseases) – einschließlich HIV und HPV. Dies bedeutet, dass das üblicherweise durch Laktobazillen dominierte Mikrobiom bei der geschlechtsreifen Frau auch eine schützende Wirkung gegenüber Pathogenen und sexuell übertragbaren Infektionen besitzt.

Kinderwunsch, Fruchtbarkeit und das genitale Mikrobiom

Das genitale Mikrobiom ist auch an einer weiteren, zentralen Funktion des Geschlechtstraktes beteiligt, nämlich dem Zustandekommen einer Schwangerschaft und damit der Fruchtbarkeit. Besonders den Laktobazillen kommt dabei eine große Bedeutung zu, die auch für eine komplikationsfreie Schwangerschaft mit zeitgerechter Geburt sorgen.

Dysbiotische Störungen des vaginalen Mikrobioms beeinträchtigen die Fruchtbarkeit und reduzieren die Schwangerschaftsraten nachhaltig. Besonders die Zunahme der bakteriellen Diversität und damit von Keimen, die bei der bakteriellen Vaginose (BV) auftreten, sind mit Unfruchtbarkeit verbunden.

Patientinnen, die ein Kinderwunschzentrum aufsuchen haben häufiger eine bakterielle Fehlbesiedelung als Frauen, die auf natürlichem Wege schwanger werden. Auch die Einnistungs-Rate bzw. „baby-take-home“-Rate nach IVF-Behandlung ist bei Frauen mit einer Dysbiose deutlich niedriger als bei Frauen ohne Dysbiose.

Das Keimspektrum der Gebärmutterschleimhaut unterscheidet sich häufig von dem der Scheide. Da sich hier der Embryo einnisten muss, kann auch hier eine dysbiotische Störung des endometrialen Mikrobioms zu einem starken Rückgang der Schwangerschafts- und Geburten-Rate führen.
Auch in der Gebärmutter wird eine Befruchtung und Schwangerschaft offensichtlich durch eine Laktobazillen-Dominanz begünstigt, wohingegen die relative Abnahme der Laktobazillen die erfolgreiche Befruchtung und daraus resultierende Geburten deutlich vermindert.

Behandlung der Dysbiose

Sowohl die Einschränkung der Fruchtbarkeit (Subfertilität) und Komplikationen der Schwangerschaft als auch mangelnder Schutz gegen sexuell-übertragbare Erkrankungen wie HPV-Infektion entwickeln sich aus einer Balancestörung des genitalen Mikrobioms: nämlich einem Rückgang des Anteils an Laktobazillen und der Zunahme zahlreicher sonst nicht nachweisbarer „anaerober“ Bakterien. Dadurch stellt sich ein hoch diverses Mikrobiom ein, das durch Entzündung der Schleimhaut und Abnahme des sauren pHs der Scheide führt. Der typische Ausfluss und fischige Geruch folgen dann als klinische Symptome.

Klassischerweise setzten Behandlungsstrategien an denjenigen Keimen an, die mit der bakteriellen Vaginose vergesellschaftet sind – also Gardnerella, Atopobium etc. Behandelt wird in der Regel die symptomatische BV. Wirksame Antibiotika dafür sind bekannt, die auch zunächst in den allermeisten Fällen wirksam sind.

Jedoch zeichnet sich die antibiotische Behandlung der BV durch eine sehr hohe Rückfallquote aus – nach 3 Monaten finden sich Rückfälle bei 30% der Patientinnen und nach 6 Monaten sind es schon 60%. Diese Beobachtungen passen sehr gut zum Konzept, dass die bakterielle Vaginose auf einer Balancestörung beruht und nicht durch bestimmt – pathogene – Keime verursacht wird.

Auf die Wiederherstellung der mikrobiellen Balance zielen sogenannten Probiotika. Diese sind lebensfähige Mikroorganismen – z. B. Laktobazillen – die einen gesundheitsfördernden Einfluss ausüben können. Ihr Wirksamkeit wurde in zahlreichen Studien belegt. Diese zeigen in der Regel ihre Wirkung über einen längeren Zeitraum (einige Wochen bis Monate). Sie führen sowohl über orale Einnahme also auch durch lokale Anwendung zu einer klinischen Besserung. Eine weitere Verbesserung kann durch zusätzlich Gabe von ansäuernden oder hormonell wirksamen Substanzen erzielt werden.

Die Wirksamkeit von Probiotika bestätigt nochmals das Konzept der Dysbiose bzw. Balancestörung, das der bakteriellen Vaginose zugrunde liegt. Denken wir dieses Konzept weiter, dann müsste die Übertragung eines „gesunden“ bzw. „balancierten“ Mikrobioms auch im Genitaltrakt zu einer Ausheilung der Erkrankung führen – analog zur Situation bei der Stuhltransplantation. Und in der Tat wurden erfolgreiche vaginale Mikrobiom-Transplantationen (VMT) vor kurzem publiziert.

Vaginale Mikrobiom Transplantation – kausale Rolle des Mikrobioms

Im Herbst 2019 wurde die erste Studie zu VMT veröffentlicht. Dabei wurde das vaginale Mikrobiom von gesunden Spendern auf Patientinnen transplantiert, die an einer chronischen, behandlungsresistenten bakterieller Vaginose (BV) erkrankt waren. Ein neues vaginales Mikrobiom erhielten dabei 5 Empfängerinnen. Nach einer Nachuntersuchungszeit von 5 – 21 Monaten ließ sich bei 4 Empfängerinnen eine komplette Rückbildung feststellen mit deutlicher Verbesserung der Symptome und Befunde. Gleichzeitig kam es zur Wiederherstellung eines durch Laktobazillen dominierten Mikrobioms. Bei einer Empfängerin ließ sich lediglich eine unvollständige Rückbildung der Beschwerden und Befunde erzielen.

Die Mikrobiom-Transplantation wurde sehr gut vertragen und „Nebenwirkungen“ wurden nicht festgestellt. Es muss betont werden, dass die Spenderinnen gesund waren und zuvor auf zahlreiche Erkrankungen und mögliche Infektions-Krankheiten getestet und untersucht wurden. Das bei 3 Empfängerinnen die Transplantation eines gesunden Mikrobioms wiederholt durchgeführt werden musste, schmälert die Bedeutung der Ergebnisse nicht: trotz kleiner Fallzahl verbesserte die VMT in allen Fällen die klinische Situation schwerer bakterieller Vaginosen und erzielt in den allermeisten Fällen (80%) eine vollständige Rückbildung der Erkrankung.

Obgleich diese Befunde in weiteren Studien erhellt werden müssen, ist dennoch der Beweis gelungen, dass ein „gesundes“ vaginales Mikrobiom eine bakterielle Vaginose heilen kann. Das bedeutet, dass dem Mikrobiom in der Entstehung bzw. Behandlung von Erkrankungen ein wesentliche – nämlich ursächliche – Rolle zukommt. Das bedeutet auch, dass das Mikrobiom der entscheidende Dreh- und Angelpunkt bei der Entstehung dieser Erkrankung ist und damit auch für die zahlreichen Folgeerkrankungen, die sich aus dessen dysbiotischen Störung ergeben. Die „Normalisierung“ des Mikrobioms führt damit auch zur Ausheilung dieser Erkrankungen bzw. Funktionsstörungen.

Diagnostische und therapeutische Bedeutung der Mikrobiom-Analyse

Eine Dysbiose des vaginalen Mikrobioms kann symptomlos sein. Dennoch ist diese Balancestörung mit einer herabgesetzten Fruchtbarkeit verbunden. Die Mikrobiom-Analyse kann also auch bei symptomfreien bzw. gesunden Frauen eine Dysbiose aufdecken, die wiederum der Grund für das Ausbleiben einer Schwangerschaft sein kann. Gleiches gilt bei Kinderwunschbehandlungen, deren Erfolg durch vaginale Dysbiosen, aber auch Dysbiosen des Gebärmutter-Mikrobioms, beeinträchtigt oder gar verhindert werden kann.

Die bakterielle Vaginose (BV) stellt, wie wir gesehen haben, eine Balancestörung des genitalen Mikrobioms dar. Bisherige Laborverfahren suchen selektiv nach einzelnen pathogenen Keimen. Diese werden auf selektiven Nährmedien angezüchtet und vermehrt. Die gesamte übrige bakterielle Flora wird dabei nicht erfasst bzw. in den selektiven Anzüchtungen bewusst unterdrückt. Aber genau diese Gesamtschau des genitalen Mikrobioms ist für die korrekte Erfassung der zugrundeliegenden Balancestörung unentbehrlich.

Diese Gesamtschau ist mit modernen Sequenziertechniken möglich, die als „next-generation-sequencing“ bezeichnet werden. Die dabei gewonnenen bakteriellen Sequenzdaten – basierend auf dem sogenannten 16S-Gen der Bakterien – werden mit Datenbanken abgeglichen und als prozentualen Anteil („Abundanz“) angegeben, z. B. 36,5 % Lactobacillus iners, 9,4 % Gardnerella vaginalis usw.
Durch diese Bestimmungen lassen sich die unterschiedlichen „community state types“ erfassen und die Anzahl der gefundenen Arten beschreiben („Diversität“). So lässt sich durch die Mikrobiom-Analyse eine Dysbiose beschreiben: nämlich die quantitativen Anteile der einzelnen Bakterienspezies in einem Abstrich gleichzeitig erfassen und aus der medizinischen Literatur als auffällig oder unauffällig bewerten.
Darüber hinaus erlaubt die Identifizierung der Einzelkeime auch eine Aussage über eventuell vorliegende Pathogene: dazu gehören beispielsweise Keime, die sexuell übertragbare Erkrankungen verursachen können.

Trotz aller Technik und Computerunterstützung ist jedes Mikrobiom letztlich einmalig und hat sich aufgrund einer individuellen Geschichte entwickelt. Diesen Hintergrund gilt es zu erfassen – etwa durch die Fragen des Arztes – und in den persönlichen Befund einfließen zu lassen. Diese Integration von individuellen, klinischen und mikrobiologischen Daten in einem Befund ist die ärztlich-diagnostische Herausforderung der Mikrobiom-Analyse.

Aus der Mikrobiom-Analyse lassen sich medizinisch äußerst wichtige Behandlungsoptionen ableiten. Wird eine symptomlose Dysbiose beispielsweise im Zusammenhang mit dem Ausbleiben einer Schwangerschaft aufgedeckt, kann der Embryotransfer verschoben werden, um zunächst eine gezielte mikrobiologische Behandlung einzuleiten. Dazu stehen antibiotische Substanzen zur Verfügung; es kann aber auch mit lebensfähigen Laktobazillen, sogenannte Probiotika, behandelt werden, die ihre Wirksamkeit in zahlreichen kontrollierten Studien gezeigt haben.

Perspektiven der Mikrobiom-Analyse

Die Forschung und die Entwicklung neuer Sequenzierverfahren schreitet sehr schnell voran. Mit den beschriebenen NGS-Sequenziertechniken lassen sich Kompositionsanalysen des Mikrobioms sehr gut durchführen, jedoch keine funktionalen Auswertungen: z.B. geben sie keinen Aufschluss darüber, welche Gene oder biologischen Funktionen insgesamt im Mikrobiom konkret vorhanden sind.

Eine solche Information würden sogenannte „whole-genome“-Sequenzierverfahren ermöglichen, die den gesamten Genbestand des Mikrobioms erfassen. Diese Techniken gibt es bereits, sind allerdings derzeit noch weitgehend der Forschung vorbehalten.

Auch wir nehmen an diesen Forschungen teil und sind selbst sehr gespannt, in wieweit sich medizinisch relevante Informationen aus dem Genbestand des genitalen Mikrobioms gewinnen lassen.

Die Teilnahme und Mitwirkung an diesen Forschungen ist allerdings die Voraussetzung, um neue Techniken und Ergebnisse mit der nötigen Expertise in die ärztliche Praxis bringen zu können, zur Verbesserung der Behandlung und zum Nutzen der Patientin; entsprechend unserer Devise: „from science to practice“.

Mit besten Grüßen
Ihr
Patrick Finzer

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